Angesichts des zunehmenden Drucks, die Dekarbonisierungsziele zu erreichen, wird erwartet, dass mehr Länder statt unverbindlicher Rahmenwerke oder Empfehlungen nun verbindliche Vorschriften zur Verringerung der CO2-Emissionen verabschieden. Während sich viele Vorschriften auf die Verringerung der Betriebsemissionen konzentrieren, rücken auch die grauen Emissionen zunehmend in den Fokus des Gesetzgebers, sodass auch diese dokumentiert werden müssen. Hierfür könnten Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs) genutzt werden. EPDs sind standardisierte, von unabhängiger Seite geprüfte Dokumente, die transparente, quantifizierbare Daten über die Umweltauswirkungen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus liefern, einschliesslich der Kohlenstoffemissionen.
Anfang 2024 gab es weltweit über 120'000 EPDs (24) für Bauprodukte. Sie werden vor allem in Europa, Nord- und Lateinamerika, Asien und Nahost zunehmend eingesetzt (22). EPDs sind zwar momentan in den meisten Fällen noch freiwillig, die Hersteller nutzen sie aber bereits, um Transparenz beim Kohlenstoff zu demonstrieren, umweltbezogene Erklärungen zu unterstützen und Produkte als nachhaltig zu vermarkten. Darüber hinaus werden bei vielen Zertifizierungen für umweltfreundliches Bauen, wie LEED, BREEAM, DGNB und der Living Building Challenge, Punkte für die Verwendung von Materialien vergeben, deren umweltrelevanten Eigenschaften in einer EPD abgebildet sind (25). Diese Zertifizierungen stellen einen erheblichen Mehrwert dar. In einigen asiatischen Städten können für «grüne» Gebäude bis zu 28% höhere Mieten verlangt werden (26).
Die Vorschriften werden jedoch immer strenger. In Frankreich und Deutschland müssen Unternehmen bereits für jedes Bauprodukt eine EPD vorlegen, wenn Aussagen bezüglich der Umweltauswirkungen getroffen werden. Norwegen verlangt, dass bei grossen öffentlichen Bauvorhaben mindestens zehn Produkte mit EPDs verwendet werden, und Italien schreibt für öffentliche Gebäude einen Mindestanteil an recyceltem Material vor. In ähnlicher Weise verlangen Dänemark, Finnland und Schweden eine Bewertung der grauen Emissionen in Gebäuden, wobei EPDs als Compliance-Nachweis dienen (22).
Die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) schreibt vor, dass ab 2028 für alle grossen Gebäude mit einer Fläche von mehr als 1'000 m² in den EU-Mitgliedstaaten eine Bewertung der grauen Emissionen vorgenommen werden muss. Diese Regelung wird dann bis 2030 auf alle neuen Gebäude ausgedehnt. In der Folge dürfte die Nachfrage nach EPD-Daten und deren Bedeutung für ein nachhaltiges Bauen in der Praxis deutlich steigen (27; 28).