Zukunft der society

Gemischt genutzte und flexible Räume

Die Pandemie hat das tägliche Leben rasant verändert. Büros und Einkaufszentren verwaisten und aus Wohnungen wurden Arbeitsplätze. Diese Erfahrung wird noch lange nachwirken und ein altes Paradigma ablösen: Räume sind nicht mehr starr in Form und Funktion, sondern dynamisch, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden.

Räume für neue Realitäten

Die Pandemie hat die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und miteinander umgehen, rapide verändert. Büros und Einkaufszentren verwaisten und aus Wohnungen wurden Arbeitsplätze, weil sich die Menschen an die neue Realität anpassen mussten.

Ende 2024 lag die Leerstandsquote bei Büroflächen in den USA bei 20.1%. Das ist ein 30-Jahres-Hoch. Mehr als 84 Millionen m2 Bürofläche stehen leer – eine Fläche, 300-mal so gross wie die im One World Trade Center in New York (63). McKinsey & Company erwartet bis 2030 einen Nachfragerückgang bei Büroflächen um 13% im Vergleich zu den Werten vor der Pandemie (64). Auch beim Bedarf an Einzelhandelsflächen wird bis 2030 durch das Wachstum im E-Commerce mit einem Rückgang um 9% gegenüber der Nachfrage vor der Pandemie gerechnet (64). Im Gegensatz dazu wird die Nachfrage nach Wohnraum voraussichtlich steigen, und zwar nicht, weil es uns Menschen wieder in den urbanen Raum zieht, sondern weil das Bevölkerungswachstum wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht.

Diese Diskrepanz verdeutlicht die Notwendigkeit einer grösseren Anpassungsfähigkeit von Räumen. Räume sind nicht mehr unveränderlich und starr, sondern dynamisch.

Bis 2030 wird die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen in den USA voraussichtlich zurückgehen

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Von starren zu dynamischen Räumen

Die Möglichkeit, in einem Gebäude flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, wird zu einem Schlüsselfaktor für dessen Langlebigkeit, wirtschaftlichen Erfolg und CO2-Bilanz. Deshalb wird die Nachfrage nach gemischt genutzten und flexiblen Gebäuden weiter steigen.

Gebäude mit gemischter Nutzung vereinen mehrere Nutzungsarten, wie z.B. Wohnen, Gewerbe, Büros und Hotellerie, in einem einzigen Komplex, um die vorhandene Fläche so effizient und flexibel wie möglich zu bewirtschaften. Die Kombination verschiedener Nutzungsarten in einem Gebäude bietet einzigartige Vorteile für die Nutzer: mehr potenzieller Kundenverkehr für gewerbliche Mieter und mehr Komfort für private Mieter von Wohnungen. Aber auch Vermieter profitieren von gemischt genutzten Gebäuden. Ein Beispiel hierfür sind höhere Mieten. Für Büroräume in gemischt genutzten Umgebungen werden bis zu 33% höhere Mietpreise verlangt. Ausserdem können Vermieter die vorhandenen Flächen je nach Nutzungsart schnell umgestalten (65). Der Trend hin zu gemischt genutzten Gebäuden ist bereits in vollem Gange. Im Januar 2022 verfolgten beispielsweise in den USA fast 200 Einkaufszentren Pläne zur Integration von Wohneinheiten durch Umwidmung leerstehender Einzelhandelsflächen (66).

Dieses Konzept der Anpassungsfähigkeit lässt sich auch auf umfassendere architektonische Lösungen und flexible Gebäude übertragen. Flexible Gebäude zeichnen sich durch rekonfigurierbare Grundrisse mit beweglichen Wänden aus, sodass nahtlos zwischen verschiedenen Nutzungsarten gewechselt werden kann. Rekonfigurierbare Grundrisse reduzieren auch die grauen Emissionen, da die Lebensdauer von Gebäuden oder Gebäudeteilen verlängert wird. Um diese Flexibilität zu ermöglichen, wird Infrastruktur benötigt, z.B. modulare Verkabelungs-, Sanitär- und HLK-Systeme, die ohne umfangreiche Sanierungsarbeiten an unterschiedliche Konfigurationen oder Lasten angepasst werden kann. Eine Fallstudie in Zürich hat gezeigt, dass der Einbau verschiebbarer Wände und unabhängiger technischer Systeme in einem Bürogebäude einen Wert von fast USD 550 Millionen erschliessen kann, wenn leerstehende Flächen in Coworking-Spaces oder Wohneinheiten umgewandelt werden. Dadurch wird das Leerstandsrisiko um mehr als 70% reduziert (67). Analog ermöglichen innovative Aufzugsysteme inzwischen, dass eine einzige Aufzugsgruppe mehrere Nutzungsarten in einem Gebäude bedienen kann, z.B. Wohnen, Handel oder Hotellerie. Somit kann leicht auf sich ändernde Nutzungsarten oder potenzielle Nutzer reagiert werden (68). Diese flexible Auslegung bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Komplexere Kabeltrassen, Rohrleitungen und HLK-Systeme sind oft mit höheren Anfangskosten verbunden und haben, wenn nicht richtig implementiert, auch einen höheren Energieverbrauch im Vergleich zu massgeschneiderten Projekten. Die Balance zwischen Anpassungsfähigkeit, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit ist entscheidend für die Maximierung des langfristigen Werts flexibel genutzter Räume.