Zukunft der society

Gesunde Innenräume

Wir verbringen fast 90% unserer Zeit in geschlossenen Räumen. Nach der Pandemie ist das Bedürfnis nach einem gesunden Raumklima gestiegen. Luftverschmutzung und hohe Erwartungen von Investoren und Mietern verstärken dieses Bedürfnis zusätzlich. In der Folge wird das Wohlbefinden der Nutzer bei der Planung neuer und der Sanierung bestehender Gebäude im Vordergrund stehen. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf den Themen thermische Behaglichkeit, Luftqualität, akustischer Komfort und optimale Beleuchtung liegen.

Argumente für gesunde Innenräume

Menschen in Industrieländern verbringen fast 90% ihrer Zeit in geschlossenen Räumen (53). Mit der zunehmenden Urbanisierung wird die Zahl der Menschen, die mehr Zeit in Innenräumen verbringen, weiter steigen. Seit der Pandemie hat das Bewusstsein für Hygiene und Raumluftqualität zugenommen. Eine Umfrage unter 1'120 Angestellten in den USA zeigte, dass die Besorgnis über die gesundheitlichen Auswirkungen einer schlechten Raumluftqualität weit verbreitet ist (54). Dieser Trend wird durch die nach der Pandemie neu entstandenen Prioritäten im Bereich Gesundheit, städtischer Luftverschmutzung und ESG-Strategien weiter beschleunigt.

Die Pandemie und der Trend hin zu hybriden Arbeitsmodellen haben die Aufmerksamkeit auf Hygiene und Raumluftqualität in Büro- und Wohnräumen verstärkt. So ist beispielsweise eine stabile relative Feuchte zwischen 40...60% entscheidend, da trockene Schleimhäute das Infektionsrisiko erhöhen und Viren auf trockenen Oberflächen länger überleben. Ebenso können eine bessere Lüftung, eine geringere Umwälzung der Raumluft und eine verbesserte Luftfilterung den Krankenstand aufgrund von Infektionskrankheiten um 9...20% senken (55).

Parallel zur Einwohnerzahl steigt auch die Konzentration der Luftschadstoffe in den Städten. Heute leben 99% der Weltbevölkerung an Orten mit einer Luftverschmutzung oberhalb des von der WHO empfohlenen Richtwerts (56). Im Jahr 2023 überstieg die durchschnittliche PM2.5-Konzentration in Delhi den WHO-Richtwert um mehr als das 20-fache (57). Sowohl eine kurz- als auch eine langfristige Belastung durch Luftverschmutzung verschlimmert Gesundheitsprobleme, führt zu einer Zunahme von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, höheren Gesundheitskosten und einer höheren Sterblichkeit. Die WHO bringt die Luftverschmutzung mit 6.7 Millionen vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in Verbindung (56).

Die Pandemie hat das Bewusstsein für Hygiene und Raumluftqualität geschärft

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Darüber hinaus beziehen Investoren und Mieter zunehmend Gesundheitskriterien in ihre ESG-Strategien ein. Davon profitiert nicht nur die Gesellschaft allgemein, sondern unmittelbar auch Investoren und Mieter. Investoren rechnen mit bis zu 7.7% höheren Mieten für zertifizierte gesunde Gebäude (58), während Mieter aufgrund der besseren Raumluftqualität von einer 8%igen Leistungssteigerung ihrer Mitarbeitenden profitieren (59).

Zukünftige Faktoren für gesunde Innenräume

Da die Nachfrage nach gesunden Innenräumen steigt, wird bei neuen Gebäuden zunehmend das Wohlbefinden der Nutzer im Vordergrund stehen. Bestehende Gebäude müssen so nachgerüstet werden, dass auch sie diese Standards erfüllen. Faktoren wie thermische Behaglichkeit, gesunde Raumluftqualität, akustischer Komfort und optimale Beleuchtung werden immer wichtiger. Hochwertige Sensoren, die diese Parameter messen und überwachen, werden allgegenwärtig sein.

Die thermische Behaglichkeit ist einer der Hauptgründe für den Bau von Gebäuden. Sie hat grossen Einfluss darauf, wie wir die Räume erleben, in denen wir leben und arbeiten. Die thermische Behaglichkeit der Nutzer hängt hauptsächlich von sechs Variablen ab: Trockenkugeltemperatur, Strahlungstemperatur, relative Feuchte, Luftgeschwindigkeit, Grundumsatz und Kleidung (60). Die ersten vier Variablen können mit HLK-Systemen beeinflusst werden, um Nutzern eine gesunde und komfortable Umgebung zu bieten. In vielen Gebäuden werden diese vier Variablen heute jedoch noch nicht richtig kontrolliert.

Eine gute Raumluftqualität fördert Gesundheit, Wohlbefinden und Produktivität. Sie wird durch die Atemluft der Nutzer (CO2, Krankheitserreger), Schadstoffe von aussen (Feinstaub, schädliche Gase), Emissionen in den Räumen (flüchtige organische Verbindungen) und Emissionen aus dem Boden (Radon) beeinflusst. Eine wirksame Lüftung und moderne Filtration sind enorm wichtig und doch stellt das manuelle Öffnen der Fenster in vielen Gebäuden nach wie vor die einzige Massnahme dar. In Sachen Luftqualität und Energieverbrauch ist das natürlich nicht effizient.

Wenn es um eine produktive und befriedigende gebaute Umwelt geht, ist der akustische Komfort ein Schlüsselfaktor, weil störender Lärm im Innen- und Aussenbereich die Arbeit und die Erholung beeinträchtigen kann. Aussenlärm steht in Zusammenhang mit Bluthochdruck, Schlaganfällen und Diabetes und erhöht gleichzeitig die Belastung (61). Innenlärm durch elektronische Geräte, HLK-Systeme und die Nutzer selbst kann sich negativ auf die Konzentration und Produktivität auswirken (61). Um diese Herausforderungen zu bewältigen, werden Strategien zur Minderung des Aussenlärms und Überwachung interner Schallquellen sowie schalldämpfende Materialien eingesetzt, um den akustischen Komfort zu erhöhen.

Optimale Lichtverhältnisse sorgen für optische Behaglichkeit, mindern die Belastung der Augen und beugen Kopfschmerzen und einem Produktivitätsverlust vor. Licht dient aber nicht nur dem Sehvorgang, sondern hat auch einen grossen Einfluss auf den menschlichen Körper. Es reguliert den zirkadianen Rhythmus, der wiederum unsere Wachsamkeit, Verdauung und unseren Schlaf steuert. Eine falsche Beleuchtung kann diesen Rhythmus aus dem Takt bringen und zu Schlafstörungen sowie einem höheren Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Deshalb werden Gebäude zunehmend mit zirkadianer Beleuchtung, Blendschutz, automatischer Beschattung, Dimmung und Tageslichtoptimierung ausgestattet (61).

Neben diesen Umweltfaktoren kann das Wohlbefinden der Nutzer noch von weiteren Bedingungen abhängen, z.B. sauberem Trinkwasser, gesunden Ernährungsgewohnheiten, körperlicher Aktivität und der Unterstützung der geistigen und emotionalen Gesundheit durch die Gebäudegestaltung. Viele dieser Aspekte werden in den heutigen Zertifizierungen für gesundes Bauen, z.B. WELL, berücksichtigt.

Darüber hinaus enthalten immer mehr Vorschriften Anforderungen an ein gesundes Raumklima. Die überarbeitete EU-Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden (European Performance of Buildings Directive, EPBD) schreibt beispielsweise vor, dass neue gewerblich genutzte Nullemissionsgebäude sowie Gebäude, die umfänglich saniert werden, nach Möglichkeit Mess- und Regelsysteme zur Überwachung und Steuerung der Raumluftqualität enthalten müssen (28).